Donnerstag, 22. Dezember 2016

Aus Offenheit für neues Denken und Vertrauenskultur ergeben sich Chancen für HR - 5 (+1) Frage/n an Demografieexperten Rolf Dindorf

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es um HR-Prozesse und -Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten, die heute fortgesetzt wird. Dafür steht mir Rolf Dindorf zur Verfügung, dem es mit seinem viel beachteten Demographieblog http://www.generation-silberhaar.de oft gelingt, eigene Akzente in diesen Diskussionen zu setzen. Ich danke ihm bereits jetzt für die Bereitschaft zum Interview und bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich meine Fragen an:

Im Gespräch: Rolf Dindorf
Was könnte aufregender sein als die Herausforderung demographischer Wandel offensiv anzugehen? Ich unterstütze kleine und mittelständische Unternehmen sowie den öffentlichen Dienst als Trainer, Berater und Vortragsredner in Fragen rund um die vertrauensvolle Führung und Kommunikation. Thematisch beschäftige ich mich seit 2005 intensiv mit den Schlüsselfaktoren zum Finden und Binden von Fachkräften, dem vertrauensvollen Führen 4.0 sowie der altersgemischten Teamarbeit. Als Lehrbeauftragter bringe ich meine Kenntnisse in den Fächern Demographiemanagement, Kommunikation und Führung an verschiedenen Hochschulen ein. Mit meinem Blog „Generation Silberhaar“ greife ich aktuelle Entwicklungen, Trends und Tendenzen rund um die Fachkräftesicherung, Führung 4.0, Generation Y, Work Life Balance und Generation 50plus auf.

Wald: Herzlichen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Dindorf: Da gibt es drei Schnittstellen:

  1. Im Rahmen meiner heutigen Tätigkeit stehe ich im regelmäßigen Kontakt mit Personalern. Kernbestandteile der Zusammenarbeit sind neben der klassischen Personalentwicklung Fragen der Strategie und der lebensphasenorientierten HR-Arbeit. Schließlich sind fünf Generationen agil unter einen Hut zu bringen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Unterstützung der Personalarbeit zur Erreichung der Konzernziele. Dabei sind Prozesse und Strukturen nachhaltig so zu verändern, dass das Thema „Vertrauenskultur“ als strategischer Erfolgsfaktor im Unternehmen etabliert werden kann.
  2. Als Aufsichtsratsmitglied eines Klinikums war ich jahrelang in Personalfindungs- und -bindungsprozessen involviert.
  3. Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit pflege ich einen regelmäßigen Austausch mit Nachwuchs-Personalern.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Dindorf: Alles und jeden über einen Kamm zu scheren halte ich für bedenklich. Allerdings zeigt das Bild der Dax-30-Unternehmen eine deutliche Tendenz. Sieben Dax-Konzerne leisten sich einen eigenständigen Personalvorstand. Dies zeigt den Status vieler Personalabteilungen: ein Schattendasein. Angesichts des digitalen und demographischen Wandels läuft hier eindeutig etwas schief. Der Personalabteilung sollte der gleiche Stellenwert wie der Finanzabteilung zukommen.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Dindorf: Vor den Hintergrund meiner praktischen Erfahrung sind zu viele Personaler zu sehr Verwalter denn Gestalter. Strategisches Denken, angelehnt an die Unternehmensstrategie, steckt häufig noch in den Kinderschuhen. Dazu kommt, dass in Personalabteilungen zu häufig Personaler-Sprache anzutreffen ist. Warum spricht man nicht die Sprache des Vorstands? Dann entkommt HR auch der Falle nur als administrative Einheit wahrgenommen zu werden. Ein weiterer Knackpunkt ist das Problem der Quantifizierung. Was leistet HR? Der Bereich Finanzen hat es hier deutlich leichter. Doch jammern hilft nichts. Das Personalmanagement muss sich verstärkt Gedanken machen wie sich seine Leistung überzeugend in Zahlen und Fakten darlegen lässt.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Dindorf: Die Chancen für das Personalwesen 4.0 sind so günstig wie seit Jahren nicht mehr. Beginnen Sie Berge zu versetzen möchte man den Personalern zurufen. Durch innovative Personalstrategien besteht die Möglichkeit agile Veränderungsprozesse anzustoßen. Visionäre Impulse durch neue Karriere- und Arbeitszeitmodelle sowie die Neuerfindung von Führung sind Optionen sich in Szene zu setzen und als strategischen Erfolgsfaktor aufzutreten. Die Erfahrung zeigt beispielsweise, dass in vielen Betrieben die Unternehmenskultur im Hinblick auf vertrauensförderliche Ansätze noch Entwicklungspotential besitzt. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist eine gelebte Vertrauenskultur ein starker Magnet für junge Nachwuchskräfte. Warum nicht hier neue Duftnoten setzen?

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Dindorf: In 10 Jahren sind wir voll im demographischen und digitalen Wandel angekommen. Die Personalabteilung muss den Mitarbeitern eine dauerhafte Beschäftigungsfähigkeit ermöglichen. Im Rahmen einer lebensphasenorientierten Strategie wird HR alle fünf Generationen im Unternehmen im Visier haben müssen. Geprägt von einem agilen Umfeld wird das Personalmanagement seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg dadurch leisten, dass es ein Arbeitsumfeld schafft, in dem jeder seine Kompetenzen ideal im Unternehmen einbringen kann. Angesichts des Fachkräftemangels und sinkender Geburtsjahrgänge wird das Finden und Binden von engagierten und motivierten Mitarbeitern eine weitere zentrale Aufgabe der Personalarbeit sein. Schon hier liegt ein Schlüsselfaktor damit HR 4.0 einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens leisten kann. Eine nachhaltige Personalarbeit wird auch den Wissenstransfer im Blick haben. Angesichts des Ausscheidens der Baby Boomer droht ein einzigartiges Erfahrungswissen verloren zu gehen. Hier muss HR 4.0 entsprechende Angebote für den Wissenstransfer und das Anbinden der ausscheidenden Mitarbeiter an das Unternehmen leisten.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Dindorf: Personaler der Zukunft sollten konsequent offen sein für neues Denken. Nicht alles was unter New Work diskutiert wird kommt zur erfolgreichen Implementation. Doch ich muss als aufgeschlossener Personalmensch die aktuellen Diskussionen kennen. Damit HR 4.0 nicht als administrative Einheit abgewickelt wird sind strategischer Weitblick und pragmatisches Handeln nötig. Als wichtiger Treiber für die digitale Transformation fällt den People Managern die Rolle zu, Sinnstiftung zu betreiben. Sinn ist einer der wichtigsten Motivatoren. Eine vorausschauende Personalpolitik in einem modernen, agilen Unternehmen wird optimale Rahmenbedingungen für die Belegschaft und Führung in Form von beispielsweise agiler Teamarbeit schaffen. Auch die Digitalisierung wird das Personalwesen erreichen. Hier gilt es den technischen Fortschritt durch webbasierte Lösungen in das tägliche Handeln zu integrieren.

Mein Fazit:  Um dem Anspruch eines zukunftsorientierten Personalmanagements gerecht zu werden, gilt es sich an die Worte Richard Bransons, Gründer von Virgin, zu erinnern: „Wenn Menschen stolz darauf sind, mit ihrem Unternehmen verbunden zu sein, entsteht dadurch ein besonderes Maß an Fürsprache und Verbundenheit, das in einer Welt voller Mittelmäßigkeit und Gleichgültigkeit für den entscheidenden Unterschied sorgt“ (Richard Branson: Like a Virgin. Börsenmedien AG Kulmbach, 2013, S. 23).

Wald: Lieber Herr Dindorf, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge und zahlreiche neue Ideen.

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